Achtsam reisen: Holzbaukunst in den norwegischen Stabkirchen

Wer auf der „Straße der Stabkirchen“ durch die wunderschönen Bergtäler Südnorwegens reist, kann die Konstruktion der alten Holzkirchen unter ganz natürlichen Gesichtspunkten betrachten. Die Stabkirche auf der Insel Bygdøy bei Oslo bildet den Auftakt zu der Symphonie der hölzernen Bauwerke. Wie oft geschieht es auf Reisen, dass wir ein schönes Bauwerk sehen, aber schon lockt das nächste Reiseziel. Mit unserer neuen Beitragsreihe „REISEMOMENTE“ im MEDITA-Journal möchten wir Sie anregen, das Reisen achtsam und in aller Ruhe zu genießen.

Anleitung: Achtsamtkeitstraining
Info: 5-min.-Entspannung Mo.+Mi.
Therapeutischer Nutzen: Achtsamkeit

Entspannungsübungen werden aus therapeutischen Gründen in der Du-Form erzählt!

Die Stabkirche auf der Museumsinsel Bygdøy bei Oslo

Ein erster Blick auf das Foto mit dem Baudetail der Stabkirche (siehe weiter unten) lädt dich zum musenvollen Entspannen ein. Ließ dir zunächst in aller Ruhe die kulturhistorische Einführung durch:

Bei der Stabkirche auf der Insel Bygdøy bei Oslo handelt es sich zwar um ein Original, das aber nicht mehr dort steht, wo es im 13. Jahrhundert erbaut wurde. Das Original der Kirche wurde einst als Attraktion nach Oslo ins Freilichtmuseum Bygdøy verlegt, wo die faszinierende Reise auf der Straße der patinagrauen Holzkirchen beginnt. Im norwegischen Gol steht nun die gelungene Kopie der Kirche und beweist, dass man auch heute ganz natürlich bauen kann.

Alle Bauteile der Stabkirchen wurden im Baukastensystem ohne Metallschrauben und –nägel zusammengesetzt. Man vermutet, dass Teile der Kirchen – ähnlich wie beim heutigen Fertighausbau – vormontiert wurden. Schon damals hatte man erkannt, dass sich dadurch die Qualität der Fertigung erhöhen und die Bauzeit vor Ort wesentlich verkürzen lässt.

Dabei zeigt sich der „lebhafte“ und zugleich praktische Charakter des Holzes. Denn Leben bedeutet Bewegung. Man konnte die Stabkirchen zerlegen und an einem anderen Ort wieder aufbauen. Aber die Natur ist – leider – so vergänglich wie das Leben. Von etwa 1000 Stabkirchen gibt es heute nur noch achtundzwanzig.

Sie beweisen allerdings, dass der Baustoff Holz allem Wetter trotzen kann. Einundzwanzig Stabkirchen stehen noch dort, wo sie einmal errichtet worden waren. Vier Kirchen wurden innerhalb Norwegens verlegt. Eine der Kirchen erwarb 1841 der norwegische Maler Johan Christian Dahl bei einer öffentlichen Versteigerung und stellte sie dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV zur Verfügung, der sie im heute tschechischen Riesengebirge wieder aufbauen ließ. Neben seinen Landschaftsbildern ist Dahl mit seinem Werk über die nordische Holzbaukunst hervorgetreten.

Erneute Betrachtung des Bildes mit dem Baudetail der Stabkirche:

Schau dir das Foto an und lass es vollkommen frei und unbefangen auf dich einwirken!

Stabkirche auf der Museumsinsel in Bygdoy bei Oslo / Norwegen - Architekturdetail mit Holzkreuz und Drachenfiguren - Achtsamkeitsmeditation

Architekturdetail der norwegischen Stabkirche in Bygdøy bei Oslo

Achtsamkeitsübung mit dem Baudetail der Stabkirche Bygdøy bei Oslo

Es handelt sich um einen Teil des Dachaufbaus der Stabkirche – oberhalb des Kircheneingangs.

  • Betrachte das Foto in aller Ruhe und analysiere die verschiedenen Bauteile, aus denen die im Bild zu sehende Konstruktion zusammengesetzt ist.
  • Welche Teile haben wohl eine konstruktive bzw. statische Funktion?
  • Welche Teile sind eher als Schmuckwerk zu betrachten?
  • Zerlege nun den auf dem Bild zu sehenden Teil der Kirche wiederum in seine baulichen Einzelteile, so als würdest du die Kirche abbauen.
  • Aus welchen Baustoffen bestehen diese Teile der Stabkirche?
  • Richtig! Sie bestehen allesamt aus Holz. Um welche Holzart wird es sich wohl handeln?
  • Oder hat man vielleicht verschiedene Holzarten verbaut?
  • Die Dachschindeln der Kirche sind aus harzreichem Lärchenholz handgeschnitzt. Wie sind sie angeordnet und welches Tier oder welches andere natürliche Gebilde mag den Dachdeckern als Vorbild gedient haben?

Eine Stabkirche ist ein Stück Natur, denn sie besteht ausschließlich aus einem Baustoff, der allein durch Sonnenenergie erzeugt wird. Und die Sonne bildet die Grundlage für alles Leben.

  • Spüre dich in die Energie der Sonne hinein, die allein schon in diesem Bauteil der Kirche steckt!
  • Welche Bau- und Schmuckformen kannst du erkennen? Zähle sie im Einzelnen auf!
  • Wie sind sie genau angeordnet? Aus welchen Teilen besteht das bauliche Detail?
  • Was macht dieses Architekturdetail ganz besonders schmuckvoll?
  • Betrachte die in sich ruhende Symmetrie der Kirchenarchitektur und nimm diese Ruhe in dich auf!
  • Du bist jetzt vollkommen ruhig und gelassen, dein Atem geht ruhig und gleichmäßig!
  • Lass dabei das ureigene Flair der Architektur auf dich wirken. Wonach mag es in der Stabkirche duften oder klingen? Träume dich ein wenig in die Wikingerzeit hinein.

In der Stabkirche von Urnes in Norwegen sondert ein achthundert Jahre alter Pfosten noch immer Harz ab. Das ist keine Besonderheit, denn Holz lebt selbst noch im verarbeiteten Zustand weiter. In historischen Bauwerken aus Holz – und noch dazu dann, wenn sie in waldreichen Regionen stehen – lässt sich das am besten nachempfinden.

  • Welche Stimmung erzeugt das Bild jetzt in dir? Du brauchst sie nicht in Worte zu fassen. Spüre dich in die Stimmung hinein und nimm sie – falls sie angenehm ist – in dich auf!
  • Wie fühlst du dich jetzt?

Kulturhistorische Erläuterungen:

Du kannst die Achtsamkeitsmeditation mit der Stabkirche als „5-min-Entspannung“ und natürlich auch auf einer Reise nach Norwegen vor Ort einsetzen. Zusätzlich bieten wir in einigen „REISEMOMENTEN“ kulturhistorische Erläuterungen über die jeweilige Sehenswürdigkeit an. Für die Lektüre der Erläuterungen solltest du dir ausreichend Zeit nehmen und deren Inhalt in aller Ruhe reflektieren!

 Über die norwegischen Stabkirchen und das Bauen

Holz ist Leben

In den norwegischen Stabkirchen spürt man, dass es keinen natürlicheren Baustoff als Holz gibt. Holz ist nicht nur einer der ursprünglichsten, sondern auch der älteste Baustoff der Welt. Die Säulenordnungen der Antike zum Beispiel (dorisch, ionisch, korinthische Ordnung) entspringen kunstvoll geschnitzten und gedrechselten hölzernen Vorbildern. Bereits in der frühesten Erzählung der Menschheit, im babylonischen Gilgamesch-Epos aus dem 2. Jahrtausend v. Chr., werden die Eigenschaften des Holzes eindrucksvoll beschrieben. In dem Epos hören wir gleichsam den Todesgesang der von Gilgamesch gefällten heiligen Zedern, die aber noch der Sprache fähig bzw. noch „lebend“ am Boden lagen.

In den mittelalterlichen Stabkirchen Skandinaviens erlebte der Baustoff Holz in Europa nicht nur eine kunstvollendete Renaissance, er verkörpert dort auch das menschliche Denken beim Bauen in urtümlichster Weise. In den Kirchen aus der nordischen Waldkiefer lebt nicht nur alter mythischer Naturglaube fort, sondern auch eine sehr naturverbundene Bauweise.

Möglicherweise hatte einst der Baustoff selbst – nämlich der Baum – als Vorbild für das Verzapfen der Balken gedient. Bei einem Baum sind die Äste, die bis neun Meter auskragen können, derart mit dem Stamm verquickt, dass sie nicht nur ihrem Eigengewicht, sondern auch der großen Last von Blättern, Früchten und Schnee standhalten. Ebenso wird ein Holzständerwerk nicht nur durch sein eigenes Gewicht belastet.

Von Bäumen lernen

Trotzdem benötigt ein gut ausgeklügeltes Rahmenwerk nicht einmal Dübel zur Stabilisierung. Bereits vor Jahrtausenden lernte der Mensch, aus der Erfahrung seiner körperlichen Fähigkeiten eine ihm dienende Technik zu entwickeln. So entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte das Verriegeln, Einkerben und Verzapfen des Holzes.

Wer nicht viel Sport treibt und schlaffe Muskeln hat, wird bald auch Wirbelsäulenprobleme bekommen, weil die Wirbelsäule nicht genug Halt durch die Muskeln hat und sich allein stützen muss. Das Holzständerwerk im modernen Holzbau ist ein Holzskelett, das durch die gute Vernagelung der flankierenden Bauteile eine Aussteifung erhält. Dazu zählen Bauplatten, Rispenbänder, horizontale und vertikale Versteifungen.

Bei den Stabkirchen wird die eigene Statik der dicken Balken, die mit ihren ovalen Formen schweren Baumstämmen gleichen, durch die Verzahnungen und auch durch die Höhe der Balken geschwächt. Eine Aussteifung bzw. die statische Stabilität wurde auch in den Stabkirchen durch den gesamten Baukörper – besonders durch die hohe Kunst der Knaggenbögen – erreicht.

Vorbild Wikingerschiff

Stabkirche bei Oslo in Norwegen: Schindeldach mit Drachenfiguren. Museumsinsel Bygdoy

Auch in den Drachenfiguren der Stabkirchen lebt alter mythischer Naturglauben fort. Sie verkörpern – ebenso wie die Eingangsschwelle – den Abwehrzauber.

Dabei konnte man auf die handwerklichen Erfahrungen der Wikinger zurückgreifen. Wie die Wikingerschiffe den Wellen trotzten, besitzen die Stabkirchen eine gute Standhaftigkeit gegen Wind und Wetter. Auch kreuzförmige Versteifungen wie die sogenannten Andreaskreuze dienten der konstruktiven Aussteifung der Kirche. In den Stabkirchen erfahren die hölzernen Aussteifungselemente zudem eine künstlerische Vollendung. So bilden die Knaggen zwischen den Masten Arkadenbögen und vermitteln auf diese Weise die Übergänge vom Rähm zu den Kehlbalken, Streben und Sparren des Daches.

Die Andreaskreuze zwischen den Masten sind mit feinen Schnitzornamenten dekoriert. Die tragenden Masten erheben sich bis zum Rähm, auf dem der Dachstuhl ruht. Aber statt eines Kapitells entsprießen den Stämmen astartige Blattgebilde und bieten so eine natürliche Basis für die meist aus zwei zusammengefügten Knaggen bestehenden Arkaden.

Die Arkaden entwachsen den Masten ganz natürlich. Interessant ist auch die Basis der Eckpfeiler in den Stabkirchen. Sie ist mit einer tiefen gekreuzten Einkerbung über das tragende Rähm gestülpt, was an den Griff der menschlichen Hand erinnert.

 Die göttliche Natur der Stabkirchen

Auffällig ist die konsequent vertikale Stellung der Balken und Wandbohlen in den Stabkirchen, womit der Gedanke der göttlichen Natur zum Ausdruck kommt. Die aufsteigenden Satteldächer verleihen den Kirchen eine himmelstürmende Dynamik; sie wurde zuweilen mit einer phallischen Symbolik verglichen, die bei den Nordgermanen seit frühester Zeit eine große Rolle gespielt hatte.

Die Kirche wächst quasi wie ein Baum in die Höhe. Dieses steile Streben in die Höhe verkörperte nicht nur religiöse, sondern auch ganz einfache menschliche Gefühle. Die Kleinkönige in den Bistümern am Ende der Wikingerzeit konnten damit dem Adel imponieren… und auch den Bauern in den Bergtälern, um sie zum christlichen Glauben zu bewegen.

Etwas ganz Natürliches sind auch die handgeschnitzten Dachschindeln der Stabkirchen aus harzreichem Lärchenholz. Abgesehen davon, dass den Dachdeckern der Stabkirchen ein Schuppentier oder ein Tannenzapfen als Vorbild gedient haben mag, sind sie mit Nägeln aus Birken- oder Wacholderholz befestigt und werden noch heute regelmäßig mit Teer aus Holz konserviert.

Infos und Tipps

Norwegisches Fremdenverkehrsamt (kein Publikumsverkehr!)
Postfach 11 33 17
D-20433 Hamburg
Tel. 040-2294150, Fax 040-22941588
www.visitnorway.com

Königlich Norwegische Botschaft
Rauchstr. 1
10787 Berlin
T: 030 – 50 50 58 600, F: 030 – 50 50 58 601
emb.berlin@mfa.no

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Als Buchautorin und Journalistin arbeitet Gabriele Walter mit dem Künstler und Grafiker Kurt Ries zusammen. In ihrem Reise- und Relaxblog helfen sie den Lesern, im Sinne der Selbstfürsorge und Prävention Stressverhalten zu korrigieren und sich Energie, Lebensfreude und mentale Kraft zuzuführen. Dabei fördern sie auch Kunst und Muse.