Mallorca und George Sand: Wenn Regentropfen klingen (5)

Für Frédéric Chopin war das Kloster in Valldemossa auf Mallorca ein Ort des Schreckens. Dennoch verdanken wir seinem dortigen Aufenthalt die Entstehung schönster Meisterstücke der klassischen Musik. Es entstanden die Ballade F-Dur, Polonaisen, Mazurkas, Nocturnes und Scherzi. Vor allem aber vollendete er die berühmten Préludes. Obwohl der Komponist stets geleugnet hat die gleichmäßig vom Dach der Kartause fallenden Regentropfen gehört zu haben, lauschen wir noch heute seinem klangvollen „Regentropfen Prélude“.

Mallorca-Folge-Beiträge:

Chopin auf Mallorca“ – unsere Youtube-Playlist mit auf Mallorca komponierten Klavierstücken!

Regen, Regen, Regen…

Wenn man George Sands Zeilen in dem Buch „Winter auf Mallorca“ liest, könnte man fast meinen, dem berühmten Komponisten persönlich zu begegnen: Bleich und mit verstörtem Blick saß er an seinem Klavier, es dauerte eine Weile bis er George Sand und die Kinder erkannte. Schließlich lächelte er gezwungen und spielte ihnen herrliche Musik vor, die er gerade komponiert hatte.

Wollte man ein Resümee aus dem romantischen Aussteiger-Urlaub und aus George Sands Reisebuch ziehen, sollte man wohl das Wetter nicht außer Acht lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes war der größte Teil ihrer Traumreise ins Wasser gefallen.

Erst gegen Ende des dreimonatigen Aufenthaltes auf Mallorca – im Februar – ließ der Regen endlich nach, mit der Mandelbaumblüte hatte der Frühling begonnen. Die Regenperiode hatte drei Wochen nach ihrer Ankunft in Palma eingesetzt. Immherin hatten die Beiden bis dahin Glück mit dem Wetter gehabt, die Zitronenbäume und Myrten standen noch in voller Blüte.

Mandelbaumblüte Mallorca

Mandelbaumblüte auf der Insel Mallorca

Auch Frédéric Chopin beschrieb überschwänglich die Landschaft von Valldemossa in einem Brief: Dabei verglich er die Farben von Himmel, Meer und Bergen mit Edelsteinen wie Türkis, Lapislazuli und Smaragd. Die Luft war für ihn „himmlisch“. Er wollte in dem Klima seine Lungentuberkulose heilen.

An einem der ersten Dezembertage blieb George Sand bis in die frühen Morgenstunden auf der Terrasse ihrer Klosterzelle sitzen und fühlte sich „wohlig warm“. Im Weiteren berichtet die fleißige Schriftstellerin aber auch von kalten Nächten mit 5 cm Schnee, in denen es allerdings immer noch 6 bis 7 Grad warm war. Um 8 Uhr zeigte das Thermometer 9 bis 10 Grad und mittags 12 bis 14 Grad an. Die Wintertage auf Mallorca hatte das Paar aber leider unterschätzt, die gerade hier, im regenreichen Nordwesten, recht ungemütlich sein können.

Mallorca - Terrasse einer Bergfinca mit weißem Tisch und Korbsesseln

Terrasse an einer Finca auf Mallorca

Klagelaute und Verzweiflung

Für den kranken Chopin jedenfalls war dies alles andere als ein heilsamer Urlaub. Ein ständiger Husten quälte ihn, so dass er in Palma drei Ärzte aufsuchen musste. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich in den drei Monaten seines Aufenthalts auf Mallorca.

Laut George Sand stieß der Wind in den widerhallenden Klostergängen Klagelaute und Verzweiflungsschreie aus. Weil es soviel regnete, machte man die Spaziergänge unter Dach im Klosterkomplex. Der Weihrauchduft, mit dem die Klostermauern gesättigt waren, hatte sich noch nicht ganz verflüchtigt.

Schon als junges Mädchen hatte George Sand zwei Jahre in einem Augustinerkloster verbracht und dort zur Clique der Teufelskinder gehört. Ihrer Meinung nach verbannten die Ordensregeln der Kartäuser jegliches Musikinstrument und verdammten es zu Eitelkeit und Sinnesreiz.

„Ich träume Musik…“ (Frédéric Chopin)

Valldemossa Kartause Mallorca

Valldemossa – Kartause

Als Komponist litt Chopin auch darunter, dass zunächst kein Klavier vorhanden war: „Mein Klavier ist immer noch nicht eingetroffen… ich träume Musik, aber kann sie nicht spielen, weil es hier keine Klaviere gibt. So gesehen handelt es sich hier um eine Wildnis“, schreibt er am 21. 11. 1838 seinem Freund C. Pleyel.

Chopin war – laut George Sand – inspiriert von fernen Gitarrenklängen, Vogelstimmen (vielleicht auch vom Brunnenplätschern?) und kleinen, blassen Rosen, deren Knospen aus dem Schnee herausragten. Aber auch von dem „quälenden Eindruck eines Spuks“ – dem „Grabesgesang längst verstorbener Mönche“.

Einen sehr wertvollen Augenzeugenbericht für die europäische Musikgeschichte schenkte George Sand der Menschheit, indem sie in ihrem Mallorca-Buch ein  Präludium Chopins beschreibt, das ihm an einem „scheußlichen Regenabend“ eingefallen war und ihr das Herz schwer machte.  Die Regentropfen, die auf das Dach der Kartause schlugen, hatten sich durch Chopins „tonschöpferischen Geist zu Tränen gewandelt“, die vom Himmel auf sein Herz tropften.

Viele Menschen sind ihr und Frédéric Chopin – sowie dem regenreichen „Winter auf Mallorca“ –  heute dankbar dafür!

Anmerkung: Nähere Informationen erhalten Sie in den folgenden Büchern:

  • „Ein Winter auf Mallorca“ von George Sand, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co, München 1985
  • George Sand – Eine Biografie, Armin Strohmeyr, Reclam, Leipzig, 2004

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Als Buchautorin und Journalistin arbeitet Gabriele Walter mit dem Künstler und Grafiker Kurt Ries zusammen. In ihrem Reise- und Relaxblog helfen sie den Lesern, im Sinne der Selbstfürsorge und Prävention Stressverhalten zu korrigieren und sich Energie, Lebensfreude und mentale Kraft zuzuführen. Dabei fördern sie auch Kunst und Muse.