Die Pfauenfeder: Vom Duft nach persischer Lyrik

Was fällt Ihnen spontan beim Anblick eines blauen Pfaus ein? Vielleicht ein exotischer Garten mit einem Pavillon, ein Märchen aus „1001 Nacht“ oder ein Kind, das staunend sein farbenfrohes Federkleid betrachtet? Im Märchen wird er als stolzer Prachtvogel mit wunderschönem Kopfschmuck beschrieben, was uns dazu bewog, ihm nebst eines Goethe-Gedichts eine achtsame Genussmeditation und ein Rätselspiel zu widmen.

Der Pfau in Goethes Lyrik

Pfauenkopf

Vielleicht fragen Sie sich zuweilen, woher wir die Ideen für unsere „Glücksmomente“ nehmen. Zweifelsohne erfordert der Prozess des Nachdenkens bzw. die Suche nach Inspirationen den größten Zeitaufwand für die Umsetzung einer künstlerischen Idee. Freilich kann eine Inspiration auch rein zufällig erfolgen – zum Beispiel bei einem Gespräch oder einem Spaziergang oder vielleicht auch durch einen nächtlichen Traum sowie während des Schreibens selbst.

Johann Wolfgang von Goethe erhielt die Inspiration für seine letzte große Gedichtsammlung „West-östlicher Diwan“ beim Lesen des Werks „Diwan“ des persischen Dichters Muhammad Schams ad-Din (Hafis). Seine Begeisterung für Hafis brachte er in den folgenden Zeilen zum Ausdruck:

Hafis, mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!

Goethes Interesse für den Islam war philosophisch und nicht religiös zu verstehen. Von der persischen Dichtung des Mittelalters war er regelrecht hingerissen, wobei er – der Haltung Hafis entsprechend – vor allem dem Sufismus bzw. der islamischen Mystik zugewandt war. Zur orthodoxen Lehre des Islams wahrte er Distanz. Was Goethe damals so schätzte, ist wohl jenes, was der heutigen Wirtschaft und Politik abhanden gekommen zu sein scheint.

Hafis Versen sagt man nach, sie würden nach Jasmin und Rosen sowie nach den vollreifen Früchten der Orangenbäume in den Gärten die Provinzhauptstadt Schiras im Süden des Irans duften. Dort sind die beiden größten persischen Dichter Hafis und Saadi bestattet. Die meisten Besucher dieser Orte tragen Hafis‘ „Diwan“ bei sich, um seine melodischen Dari-Verse gleich hypnotischer Orakel zu zitieren. Abends, wenn die blaue Stunde anbricht, treffen sich Paare beim Grab des Dichters. Selbst für ihre Twitter-Botschaften greifen heute junge Perser auf die unsterblichen Zeilen von Hafis und Saadi zurück.

Eines der schönsten Gedichte in Goethes Lyrik-Sammlung ist die „Pfauenfeder“:

Ich sah mit Staunen und Vergnügen
Eine Pfauenfeder im Koran liegen,
»Willkommen an dem heiligen Platz,
Der Erdgebilde höchster Schatz!
An dir, wie an des Himmels Sternen
Ist Gottes Größe im kleinen zu lernen
Dass er, der Welten überblickt,
Sein Auge hier hat aufgedrückt,
Und so den leichten Flaum geschmückt,
Dass Könige kaum unternahmen,
Die Pracht des Vogels nachzuahmen.
Bescheiden freue dich des Ruhms!
So bist du wert des Heiligtums.«

 

Von Rosengärten und Pfauengefieder

Dass Goethe eine Pfauenfeder in ein heiliges Buch „positioniert“ und sie als „Erdgebilde höchster Schatz“ bezeichnet, sagt nicht nur viel über seine Wertschätzung der persischen Dichtung, sondern auch über seine Bewunderung des exotischen Prachtvogels. Tatsächlich entführt die perlmuttglänzende Schönheit des blauen Pfaus unweigerlich in orientalische Gefilde.

Das Motiv stammt aus dem Werk „Golestan“ („Rosengarten“) des Dichters Saadi, der einzig die Pfauenfeder würdig hielt, als Lesezeichen im Koran zu liegen. Bevor Saadi als älterer Mann in Shiras sesshaft wurde, reiste er fast 30 Jahre durch fremde Länder.

Bei aller Farbigkeit enthält das Pfauengefieder keine Farbpigmente, der Farbeindruck entsteht wohl durch Interferenz des Lichts in mikroskopisch kleinen Luftkammern in den Federn. Seinen prächtigen Fächer mit etwa 150 Schmuckfedern stellt der Pfau vor allem bei der Balz zur Schau.

Im deutschen Volkslied „Die Vogelhochzeit“ heißt es: „Der Pfau mit seinem buntem Schwanz macht mit der Braut den ersten Tanz.“ Sollten Sie einem Pfau ohne verlängerte Schwanzfedern begegnen, dann handelt es sich um eine Henne oder vielleicht auch um einen Jungvogel. Die volle Länger seiner ca. 2m langen Schleppe ist erst im Alter von sechs Jahren erreicht.

Genussmeditation mit dem Gefieder des blauen Pfaus

  • Klick auf die Bilder, um sie zu vergrößern und analysiere, welche Farben das Pfauengefieder hat!
  • Unterscheide helle und dunkle, matte und glänzende Farben!
  • Welche Farben hat ein Pfauenauge? Aus welchen Formen besteht es?
  • Schau dir im oberen Bild den Kopf samt Schnabel genauer an!
  • Lies Goethes Gedicht „Pfauenfeder“ wiederholt durch und verinnerliche es!
  • Welches Gefühl entsteht nun in dir beim Betrachten der Bilder? Märchenhaftigkeit, Bewunderung, Faszination?
  • Genieße das Gefühl, auch wenn es sich nicht in Worte fassen lässt!

Der Pfau als Haustier?

Die blau irisierenden „Pfauenaugen“ des Vogels sollen Fressfeinde abschrecken, zur Not kann der Pfau mit seinen gefächerten Schwanzfedern auch rasseln. Bei Gefahr kann er sich zudem in die Luft erheben und ins Gebüsch flüchten.

Bei der Namensvergabe für drei Edelschmetterlinge ließ man sich von dem Pfauenauge inspirieren, wobei das Abendpfauenauge mit seinem goldenen Glanz ganz besonders schön ist. Als Pfauenauge wird zudem ein feines Mürbeteiggebäck bezeichnet, dessen Johannisbeer- oder Himbermarmeladefüllung sicher ebenso süß und duftig „schmeckt“ wie die persische Dichtkunst.

Rätselspiel mit Palmenblatt

Kleiner Rätselspaß: Um was für ein exotisches Wesen handelt es sich auf dem Bild?

 

Der Pfau ist ein gern gesehener Blickfang, zunehmend entdecken ihn Privatpersonen als Haustier. Er darf wohl sogar ohne Meldebestätigung gehalten werden, aber er braucht viel Auslauf. Pfauen fressen Samen, Früchte, Gräser, Blüten und Insekten sowie kleinere Wirbeltiere.

Als heiliges Tier ist er der Nationalvogel Indiens. Die Sri Lanka Airline führt ihn im Unternehmenslogo. In Indien vertreiben die Pfauen Giftschlangen aus ihren Revieren und warnen mit ihrem markanten Schrei nicht nur vor Großkatzen, sondern auch vor Unwettern. Die alten Ägypter brachten den Pfau in den Mittelmeerraum.

Und übrigens fand Goethes Liebe zum Orient ein Echo. Der pakistanische Dichter Muhammad Iqbal erwiderte im Jahre 1923 in seinem Gedichtband „Botschaft des Ostens“ seinen Gruß .

 

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Als Buchautorin und Journalistin arbeitet Gabriele Walter mit dem Künstler und Grafiker Kurt Ries zusammen. In ihrem Reise- und Relaxblog helfen sie den Lesern, im Sinne der Selbstfürsorge und Prävention Stressverhalten zu korrigieren und sich Energie, Lebensfreude und mentale Kraft zuzuführen. Dabei fördern sie auch Kunst und Muse.