Morgenröte – Stefan Zweig in Brasilien

Bleiben wir noch ein wenig bei der Farbe Rot. „Vor der Morgenröte“ ist der Titel der österreichisch-/deutsch-/französischen Film-Koproduktion über Stefan Zweig in Brasilien, welcher derzeit für ausverkaufte Kinosäle und weitgehend ausgeliehene Bücher des weltberühmten Schriftstellers sorgt. Die Hauptrolle spielt Josef Hader, Österreichs populärster Kabarettist der Nachkriegszeit.

Aus der Dunkelheit befreit?

Meer, Morgenrot, zwei Bäume

Morgenröte am Meer

Morgenröte ist jener Moment, wenn die Vögel erwachen und mit ihrem herrlichen Gesang die Nacht von der Dunkelheit befreien. Vor der Verfolgung der Nationalsozialisten geflohen, sitzt dem berühmten Schriftsteller die Vergangenheit wie ein Gespenst im Nacken. Nicht nur die Vergangenheit, sondern offensichtlich auch die Angst vor weiterer Verfolgung.

Umgeben von der wunderschönen Palmenlandschaft Bahias und der in Brasilien herrschenden multikulturellen Gesinnung prophezeit Stefan Zweig die Morgenröte und „wählt“ – seiner eigentlichen Lebensgrundlage entzogen – dennoch zusammen mit seiner zweiten Frau Lotte den Freitod.

Als großer Denker und feinsinniger Schriftsteller spürte Stefan Zweig schon im Jahre 1934, dass die mysteriöse Durchsuchung seines Hauses in Salzburg erst der Anfang einer törichten und gefährlichen Entwicklung war. Eine Entwicklung, die sich weiser Denker entledigte, um schließlich Millionen Menschen ins Chaos und Verderben zu stürzen. Über London floh der jüdische Schriftsteller nach Südamerika.

In der Ferne

Palmen

Im Palmenparadies

Offen bleibt die Frage, inwiefern die Feinsinnigkeit eines Schriftstellers zur Unerträglichkeit der Stigmatisierung durch die Nazis geführt haben mag und vielleicht sogar von jenen – noch aus der Ferne – psychologisch manipuliert wurde. Nicht allein Stefan Zweig, sondern auch viele andere Schriftsteller und Künstler waren gezwungen, Deutschland zu verlassen. Eine weltweite Schande für die deutsche Kultur, von jenen provoziert, die sich als „vaterlandsliebende“ Menschen bezeichneten.

Das Thema der stillen Förderung von Schikane, Verleumdung, manischen Unterstellungen und Erniedrigung einer breiten geistigen Bevölkerungsschicht zugunsten inhumaner und profitgieriger Gesinnungen ist leider auch in unserer Zeit nicht vom Tisch. Ein Großteil der Künstler und Geisteswissenschaftler kann – trotz fleißigen und humanistischen Schaffens – von seinem Einkommen nicht leben.

Da werden mit EU-Programmen in Osteuropa gestandene Hochschulabsolventinnen zu Krankenschwestern umgeschult und gebildete Menschen aus Syrien arbeiten in deutschen Restaurants für Minilöhne als Kartoffelschäler.

Morgenröte am Horizont

Rosa Wolken beim Sonnenaufgang

Morgenröte beim Sonnenaufgang

Die kürzlich erfolgte Volksabstimmung in der Schweiz über das bedingungslose Grundeinkommen erscheint deshalb – so illusorisch sie vielleicht für viele Menschen auf den ersten Blick aussehen mag – wie die Morgenröte am Horizont. Sie fordert vor allem auf zum Umdenken in Richtung einer sowohl modernen und toleranten als auch moderaten Gesellschaft, die geführt ist von Bildung, Humanismus und Kreativität.

Auf Dauer kann es nämlich nicht gut gehen, wenn die kreative Elite der Gesellschaft von profitgierigem und eifersüchtigem Denken degradiert wird. Dabei gilt es auch, sich von verkalkten diktatorischen Denkweisen zu lösen. Auch in Finnland diskutiert die soziale Politik über ein Grundeinkommen.

Das paradiesische Bahia verwandelte sich für Stefan Zweig zu einer Hilflosigkeit vor dem Dschungel der Zerstörung der Kultur in seiner Heimat, in der Dünkel und Dreistigkeit von Menschen, die ihm im geistigen Sinne nicht das Wasser reichen konnten, die Oberhand gewonnen hatten. Für „Spiegel Online“ ist der Film ein „dringliches, aufwühlendes, völlig gegenwärtiges“ Historiendrama.

 

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Als Buchautorin und Journalistin arbeitet Gabriele Walter mit dem Künstler und Grafiker Kurt Ries zusammen. In ihrem Reise- und Relaxblog helfen sie den Lesern, im Sinne der Selbstfürsorge und Prävention Stressverhalten zu korrigieren und sich Energie, Lebensfreude und mentale Kraft zuzuführen. Dabei fördern sie auch Kunst und Muse.